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Schultüte Schildkröte // Der Ursprung

26. Juli 2015

Wer jetzt glaubt, dass diese Schultüte bereits Ende der Fahnenstange ist, der irrt. Ich bin mittendrin in der Produktion und filze mich vorwärts. Diese Schultüte war ein klein wenig eine Sache mit gemischten Gefühlen. 

Begonnen hatte es damit, dass in der Anfrage eines Kunden die Bezeichnung "Zuckertüte" verwendet wurde, statt "Schultüte". Dazu möchte ich mal als promovierte Schultütenfilzfachfrau etwas weiter ausholen.  

Schultüte Schildkröte gefilzt

Zuckertüte Schildkröte mit Salat

Wie aus Zuckertüten Schultüten wurden

Die Tradition der Schul-/Zuckertüten ist noch gar nicht sooo alt und typisch deutsch. Erste Belege gehen auf das Jahr 1817. Es gibt viele Geschichten wer die erste Zuckertüte "erfunden" hat. Sicher ist, sie kommt aus den östlichen Bundesländern und dort vermutlich aus Jena.

Mir gefiel die Geschichte vom Zuckerbäcker der seinem Patenkind eine  kleine Spitztüte, gefüllt mit Zuckerwerk, zum Schulanfang schenkte am besten. Weil diese Geschichte verdeutlicht warum in den östlichen Bundesländern die Schultüten immer noch traditionell Zuckertüten heißen. 

Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurden auch ausserhalb der Gebiete Thüringens, Sachsens, und des Vogtlandes die ersten Schultüten verschenkt. 

1910 begann die industrielle Produktion im Erzgebirge. 

Nach dem 2. Weltkrieg, in den 50ern, zog die Zuckertüte auch in die Klassen der süddeutschen Bundesländer ein. Vorher bestand ein deutliches Nord-Süd Gefälle. In dieser Zeit wandelte sich der Begriff , vermutlich bedingt durch den Mauerbau (das ist jetzt meine persönliche These), in der damaligen BRD von "Zuckertüte" auf  "Schultüte" und manifestierte sich. In den Gebieten der ehemaligen DDR blieb der  ursprüngliche Begriff "Zuckertüte" erhalten. 

Obwohl ich gewohnheitsgemäß den Begriff "Schultüte" verwende, finde ich die Bezeichnung "Zuckertüte" charmanter.  


Zucjkertüte Schildkröte gefilzt mit abnehmbaren Panzer

Schildkrötenschultüte mit abnehmbaren Panzer

Auf die Grösse kommt es eben doch an

Noch einen deutlichen Unterschied findet man zwischen der Zuckertüte und der Schultüte. Die Zuckertüten sind mindestens 15 cm grösser, als ihre westlichen Kollegen (diese sind ca. 70 cm groß) und meistens sechseckig. Warum das so ist weiß keiner. 

Ich könnte noch viel mehr über die Tradition erzählen, aber das sprengt den Rahmen dieses Post erheblich. Mir ging es eigentlich darum zu erklären, wenn ich den Begriff "Zuckertüte" lese oder höre, sind es zu 98% Anfragen aus den östlichen Bundesländern.Gut, ich habe auch schon daneben gelegen. Dabei handelte es sich dann allerdings um die ehemaligen westdeutschen "Grenz"gebiete. 

Wenn dann noch gefragt wird, wie groß die Zuckertüte ist, bin ich mir ziemlich sicher wo der Fragende herkommt. Auch in diesem Fall wurde gefragt ob ich nicht eine Zuckertüte mit grossem Korpus von mindestens 85 cm Höhe anfertigen könnte ....


Entstehungsprozess einer gefilzten Zuckertüte Schildkröte

Eine Schildkröten -Zuckertüte / Schildkröten Schultüte entsteht

Schwerstarbeit

Bislang habe ich mich mit Händen und Füßen gewehrt Korpusse zu fertigen, die grösser als 70 cm sind. Das hat nichts mit Unflexibilität meinerseits zu tun oder den uns Deutschen so gerne nachgesagten schlechten Servicegedanken:" Ham wa nich, gibt es nich, kommt och nich ma rein.", sondern es bedeutet für mich Schwerstarbeit. 
Eine viel größere Schablone, viel mehr Wolle die, wenn sie ordentlich durchnäßt ist, 4 Kilo auf die Waage bringen kann - ich hab's gemessen. Es ist eine verdammt körperlich schwere Arbeit so einen nassen Wollklotz zu bewältigen bis er die richtige Grösse hat.

Oben im Bild habe ich die fertig gefilzte Rohform auf die Ursprungsschablone gelegt, die sich zuvor IN der Schultüte befunden hat. Das schrumpft sich nicht von alleine so klein. Darum wollte ich nie. 

Zum anderen gibt es die großen, runden Rohlinge nur als Sonderanfertigung zu exorbitanten Preisen. Achteckige möchte ich nicht verwenden, aber das hat gestalterische Gründe und selber Korpusse aus Karton drehen kam für mich bislang nicht in Frage. Also zierte ich mich, bis Schildi kam.

Einmal ist immer das erste Mal

Ich habe mich breitkloppen lassen. Letzte Woche stand ich dann mit etwas weichen Knien vor der großen Schablone und dachte:" Wenn du dir jetzt sagst, dass du es nicht schaffst, geht's schief. Daher, du schaffst das!" Der Rest ist Geschichte und  anhand der Bilder wißt Ihr jetzt, was ich mir mantramäßig beim Filzen vorgemurmelt habe.
Übrigens, so wuchtig, wie ich befürchtete, ist sie nicht geworden. Ich war etwas verblüfft, wie sehr der Dekor die Dimensionen "frißt".