WICHTIGE INFORMATION!

Endlich ist es soweit!
Seit dem 01.01.2017 findest Du mich mit neuer Website, Blog und Portfolio unter

Doris Niestroj | Filz & Form.



Ich freue mich auf Deinen Besuch!
Doris Niestroj

P.S. die.waschkueche und dieser Blog werden von mir nicht mehr weitergeführt. Der Blog bleibt als Archiv erhalten.

Landliebe // Der Strohkrimi

21. Juli 2014

Zugegeben, ich bin auch Abonnentin eines dieser schicken Hochglanzmagazine, die entweder von der Lust, der Liebe oder sonst was zum Landleben sprechen. Es macht auch Spaß sich durch die Zeitschriften zu blättern und die wirklich tollen Fotos zu betrachten - Augenurlaub. Allerdings muß ich immer wieder schmunzeln wenn ich das, in den Zeitschriften propagierte Prinzip der Lust am Land lese. Mit meinem Landleben hat das aber auch gar nichts zu tun. Freitag, Samstag und Sonntag waren Tage die sehr viel mit Landleben zu tun haben, aber weniger mit Lust. Die Ereignisse dieses Wochenendes würden niemals als geschriebenes Wort Eingang in eins dieser hübschen Magazine finden.  NIE! Daher schreibe ich hier jetzt mal von meinem  Landleben und der Lust ...

Freitag - Es beginnt


32° Grad im Schatten. Das Korn ist dieses Jahr eher reif als letztes Jahr. Seit drei Tagen brummen die Mähdrescher über die Felder, bis tief in die Nacht. Das gedroschene Korn (ich weiß jetzt nicht genau, was zuerst gemäht wurde Roggen, Gerste oder Weizen. Hafer ist noch nicht so reif und auch der Raps braucht noch) wird mit monströsen Schleppern, die mit 70 Sachen, an unserem, nah an der Straße stehenden Haus ohne Rücksicht auf Verluste vorbeidonnern, zur Raiffeisen gebracht. Ungelogen, Tassen und Teller klappern jedesmal aufgeregt im Schrank. Dort wird es gewogen und eingelagert. Die Mitarbeiter der Raiffeisen schieben Nachtschichten, die Waage wiegt sich einen Wolf und es stauen sich die vollbeladenen Gespanne wartend davor. Das ist unsere Sommermelodie. Zur Rübenernte das Gleiche dann nochmal. Das ist dann unserer Herbstmelodie. 

Unser Stroh liegt am Grund. Einige Reihen zuviel. Soviel Stroh brauchen wir nicht. Wir müssen es aber pressen, haben aber nicht genug Wagen. Es war anders abgesprochen, aber der Lohnunternehmer hörte nicht richtig zu. Fette Schwaden (Strohreihen) glänzen in der Sonne und wir haben unsere Zweifel ob diese massiven Reihen Stroh auch in unsere Strohpresse passen. Derweil zieht ein fischiger, stark nach Verwesung riechender Geruch übers Feld. Ein halb verfaultes Wildschwein liegt zwischen den Reihen und stinkt vor sich hin - das ist ein Teil unseres Sommergeruches. 




Samstag - 35° Grad, die Sonne scheint erbarmungslos. 


Es ist 12.00 Uhr
Die Vorarbeiten sind erledigt. Jetzt kann gepreßt werden. In der brüllendsten Hitze geht es los. Das Stroh wird nochmal gewendet. Dabei stellen wir fest, dass es beim Dreschen arg kleingeschlagen wurde und es Probleme beim Pressen der Ballen geben wird, weil es fast zu kurz ist. Die Bunde werden zu locker und fallen immer wieder auseinander.

Der Schweiß rinnt. Die Presse preßt erbarmungslos Bund für Bund und schiebt sie über die Ballenrutsche zum Wagen hoch, der hinter der Presse angehängt ist. Eine wackelige und lange Fuhre. Trecker - Strohpresse - Anhänger. Laut rumpelnd rollt das lange Gefährt im Schneckentempo über den unebenen Acker. Es schaukelt gefährlich da oben auf dem Anhänger, während man mit Ballen bepackt in schwindelnden Höhen rumturnt.  Stund um Stund, bis der erste Bolzen abschert und reißt, weil zuviel Stroh im Schwad (Reihe) liegt und die Presse, wie vermutet, dass Volumen nicht schlucken kann. Man steht. Wartet, dass der Fahrer die Presse freiräumt, den Bolzen erneuert. 3 Meter entfernt liegt das tote Wildschwein. Es stinkt erbärmlich. Dreck und Strohreste kleben auf der verschwitzten, brennenden Haut, die Sonne sticht, die Stechfliegen sind begeistert von soviel Schweiß und beißen als gäb es kein Morgen.

Endlich, der Trecker fährt wieder an, die Presse hämmert augenblicklich mit infernalischem Lärm  los. Man steht auf dem schaukelnden Wagen, versucht weiterhin, Gleichgewicht haltend, Strohballen sauber zu packen. Ja nicht runterfallen, aufpassen, das wäre ein tiefer, knochenbrechender Sturz auf den knallhart getrockneten Boden zwischen Strohstopeln und totem Wildschwein.

Währenddessen denke ich an die schönen Bilder in der Landl+st und frage mich, ob die auch mal verwesende Wildschweine abbilden würden??? PÄNG! Wieder ist ein Bolzen in der Presse gerissen, wieder stehen wir, wieder Warten in brüllender Sonne. 

Unsere Zweifel waren berechtigt. Der Mähdrescher hat einen größeren Strohauswurf als der Stroheinzugsschacht unserer Presse ist. Abscherende Bolzen knallen noch öfters wie überdimensionierte Sektkorken, nur gibt es keinen Grund zum Feiern. Wir passieren noch zweimal die tote Sau. Einmal von links und einmal von rechts, sie stinkt beidseitig immer gleich fies.

Wie erwartet passen nicht alle Bunde auf die grossen Wagen. Nun müssen wir die Bunde von Hand hochstechen, da der kleine Wagen nicht hinter die Presse mit der Ballenschleuder gehängt werden kann weil einachsig. Stroh und Dreck rieseln beim Hochstechen der Ballen ins Gesicht. Nebenan liegt das Wildschwein, die Schnauze voll mit Maden. Jetzt bloß nicht kotzen. Eine Gräpe (umgangssprachlich für eine zweizinkige Forke) bricht. 

Endlich, nach 5 Stunden Einsatz ist das Stroh gepreßt. Jetzt heißt es unter Dach und Fach damit. Hochaufgelagen schaukelt die zweite Fuhre langsam bergab, Richtung Dorf. Der Trecker hört sich komisch an ... die Auffahrt zu unserem Pferdestall ist steil, eng. Die Fuhre ist zu hoch, der Trecker rumpelt immer mehr und spuckt schwarze Qualmfontänen. Die Dachrinne kommt gefährlich nahe, verbiegt sich. Spatzen stieben entsetzt auseinander. 20 Bunde Stroh kollern die Auffahrt Richtung Straße runter, hoffentlich kommt jetzt kein Auto. Loses Stroh verteilt sich über das ganze Areal, der Wind weht. Die Fuhre steckt auf der 30° Grad steil ansteigenden Auffahrt fest, der Trecker zieht nicht mehr. Mit Müh und Not und gutem Zureden bekommt er die Fuhre doch noch hochgezogen. Dann ist Sense. 

Es ist 19.00 Uhr
Wir sind seit 11.00 Uhr bei sengender Hitze und körplich sehr anstrengender Arbeit im Einsatz, haben seit 7.00 Uhr noch nicht wieder gegessen und nun verreckt der Trecker. Die Benzinvorförderpumpe hats zerlegt. Und nun? Das nicht gepreßte Stroh muß noch gehäckselt werden und zwei Anhänger stehen ungeschützt auf dem Feld. GöGa bekommt ihn wieder ans Laufen, fährt los und strandet 500 Meter  weiter mitten auf der Straße - endgültig. Der Trecker verliert Benzin und verstopft die kleine einspurige Strasse. Von oben aus der Feldmark kommen andere mit ihren Stroh- und Kornfuhren, sie passen nicht vorbei. Chaos. 

Es ist 20.00 Uhr
Wir brauchen jemanden der uns abschleppt, aber es sind alle, die helfen könnten, selber mit der Ernte beschäftigt. Die Stimmung ist im Keller ... das Telefon klingelt. Der Anrufer wurde vom Himmel geschickt, der nicht erntende Cousin. Er kommt mit schweren Gerät und schleppt den IHC ab.

Es ist 22.00 Uhr
Uns ist alles scheißegal, die beiden Strohwagen lassen wir auf dem Feld, dass ungehäckselte Stroh läuft uns nicht weg. Wir haben schon längst keinen Hunger mehr, sind erschöpft, schlecht gelaunt, zerstochen, verdreckt, um einen kaputten Trecker reicher, aber dafür um eine heile Dachrinne ärmer  - komme mir jetzt bitte keiner mit Landl+st und schönen Bildern. Ich pelle mich entnervt aus der versifften, und klitschnass geschwitzen Kleidung und versuche diese klebrige Mischung aus Dreck, Schweiß und Strohresten  irgendwie vom total zerstochenen Körper zu bekommen.  




Sonntag - bedeckter Himmel, 27° Grad


Es ist 7.30 Uhr
Mit verquollenen, zugekleisterten Augen, der ständig aufwirbelnde Staub am Vortag fordert eben seinen Tribut, sitzen wir am Frühstückstisch und überlegen, wie wir den Trecker am Sonntag repariert bekommen oder von wem wir uns einen Trecker leihen können, der die noch ausstehenden Arbeiten von der PS-Zahl schafft und derzeit nicht gebraucht wird. Es ist Erntezeit, daher findet sich keiner, alle werden gebraucht. Nebenan brummt bereits der erste Mähdrescher, morgens um 8.00 Uhr - ungewöhnlich früh. Kampf gegen das Wetter, es soll regnen. Zwei Wagen stehen nach wie vor auf dem Stoppelfeld, einer vor dem Pferdestall, aber alle drei ungeschützt. Nur der kleine Einachser mit dem wenigsten Stroh hats muckelig mit Dach überm Kopf. GöGa hat eine Idee und ruft beim Landmaschinenhändler an. Sonntags? Ja, Sonntags. Wie gesagt, es ist Erntezeit, da ticken die Uhren auf dem Land anders. Wir sind nicht die einzigen denen was kaputt geht. Man trifft sich beim Landmaschinenhändler:"Ach, Du auch?"

Der Himmel zieht sich zu, der Mann ist fort um den Trecker zu reparieren, die beiden anderen Wagen in die Scheune zu fahren und die restlichen Arbeiten zu erledigen. Gelb hebt sich der Wagen Stroh vor dem immer dunkler werdenden Himmel ab. Ich suche verzweifelt nach eine Leiter und einer geeigneten Plane - Fehlanzeige. Bleibt mir nur eine Möglichkeit, alleine gegen die Zeit und den herannahenden Regenschauer kämpfend packe ich den Wagen Stroh ab und banse (umgangssprachlich: Stroh fachgerecht und fest aufeinanderzupacken)  die Ballen im Stall. Nach 4 Stunden körperlicher Höchstplackerei habe ich es geschafft. Justement kommt der Mann ... endlich haben wir Wochenende.

Es ist 14.00 Uhr
Ich muß aufpassen als ich ins Haus gehe, um nicht auf meine Hände zu treten, weil meine Arme so lang geworden sind. Alles schmerzt. Filzen, wie gedacht, wird nicht klappen, ich kann die Arme kaum noch heben. Erneut pelle ich mich aus völlig verschwitzter, klebriger und dreckiger Kleidung und versuche die Strohpatina vom Körper zu waschen. Den Rest des Tages schalte ich auf Einigelmodus und bewege mich kaum noch. 

Montag- Regen, 25° Grad

Die am Freitagabend angefangene Schultüte ist mittlerweile getrocknet und wartet auf Fertigstellung ... ich habe brutalen Muskelkater. Landli+be ... Landl+st ... das ich nicht lache. ;)